Schallende Ohrfeige des Bundesgerichts für alle Schweizer Patientinnen und Patienten, die sich die Freiheit nehmen wollen oder – zum Beispiel aus gesundheitlichen Gründen – müssen, für den Bezug von nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten nicht eine Ladenapotheke oder Drogerie zu berücksichtigen, sondern die sich die von ihnen benötigten Arzneimittel lieber per Post zustellen lassen möchten.
In der Schweiz gilt: Wer nicht verschreibungspflichtige Medikamente (sog. OTC) lieber per Post beziehen statt im Laden kaufen möchte, muss dafür ein ärztliches Rezept vorlegen können. Diese an sich absurde Bestimmung ist jetzt vom Bundesgericht sogar verschärft worden: Das Rezept (notabene für den Bezug von nicht rezeptpflichtigen) Medikamenten darf nur ausgeführt werden, wenn es auf einem persönlichen Kontakt zwischen Patientin/Patient und Arzt beruht. Mit dieser Schwelle, die rechtlich raffiniert konstruiert, aber sachlich abstrus ist, bewirkt das Bundesgericht für den Bezug von nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten faktisch einen Ladenbesuchszwang. Ob das Gericht mit seinem Urteil auch einen Beitrag gegen das Ladensterben in der Apotheken- und Drogerienbranche leisten wollte, muss bis zum Vorliegen der Urteilsbegründung offen bleiben.
Klar ist: Der Preis, den Patientinnen und Patienten für die von ihnen benötigten Medikamente bezahlen, ist in der Schweiz auch deshalb hoch, weil er eine Prämie für den Erhalt verkrusteter Branchenstrukturen enthält. Das Bundesgerichtsurteil beweist, dass die in der Schweiz als hoch wahrgenommenen Gesundheitskosten gelegentlich durchaus «hausgemacht» sind, indem sie teilweise auf gesetzlich festgeschriebenen und nun offenbar auch bundesgerichtsresistenten Protektionismus zurückzuführen sind. Der Gesetzgeber bleibt gefordert.